Wie im ersten Teil unserer Artikelserie beschrieben, hat sich das Verhalten von Bankkunden stark verändert. Darauf zielen die Angebote von FinTech-Unternehmen ab, die am Markt mit ihren kundenzentrierten und auf Nutzerfreundlichkeit ausgelegten Lösungen auftreten. Die sogenannten FinTechs drängen auf den Markt, um die Finanzbranche zu revolutionieren und machen dabei den Banken Marktanteile streitig.
FinTech – IT meets Banking
Laut paymentandbanking.com gibt es mittlerweile rund 200 FinTech-Unternehmen in Deutschland. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie Finanzdienstleistungen mit einem äußerst hohen Maß an Kundenorientierung und Nutzerfreundlichkeit anbieten. FinTechs verfügen zumeist nicht über eine Bankenlizenz und unterliegen somit weniger Regulierungen. So können zum Beispiel Medienbrüche vermieden werden und alternative Legitimationsverfahren in Anspruch genommen werden. FinTechs sind technologiegetriebene Unternehmen, haben allerdings auch erfahrene Experten aus der Finanzwelt in ihren Reihen. So zum Beispiel Kreditech aus Hamburg, die auf Basis von Big Data Kreditratings für Privatpersonen ermitteln. Sie konnten den Top-Banker der Royal Bank of Scotland und C&A Bank-Gründer Oliver Prill für sich gewinnen (Interview).
Angriff auf die etablierten Geschäftsfelder
FinTechs verfolgen Geschäftsmodelle aus unterschiedlichen Bereichen der Finanzbranche. Typischerweise nutzen sie den Vernetzungsansatz des Internets, indem sie eine Plattform für Personen bereitstellen, die Angebot und Nachfrage zusammenführt (P2P). Die FinTech-Unternehmen nehmen dabei die Rolle als Intermediär ein und tragen als solcher ein geringes Risiko. Ihr Geschäftsmodell ist hoch skalierbar, da sie keine physisch hergestellten Produkte anbieten und diese beliebig oft, über Ländergrenzen hinweg von Kunden angewendet werden können. Sie versuchen, Marktanteile in Bereichen wie Zahlungsverkehr, Anlagen und Kredite sowie Versicherungen zu gewinnen.
Anbieter wie NUMBER 26 bieten beispielsweise hochmoderne Girokonten an. Die Kontoeröffnung ist innerhalb von acht Minuten abgeschlossen und die Verwaltung der eigenen Finanzen erfolgt einheitlich online. Andere wie das englische Start-Up transferwise ermöglichen Auslandstransaktionen zum Bruchteil üblicher Bankengebühren. Dem gleichen Prinzip folgen auch die Privatkredit-Plattformen aus der Rocket-Internet-Riege Lendico und Funding Circle (vorher Zencap): Hier werden Anleger mit Kreditnehmern auf einer Plattform zusammengebracht. Ob Kredite vergeben werden, liegt allein in der Hand der Akteure. Die Plattform übernimmt das Risikorating und organisiert die Abwicklung mit der Partnerbank.
Der wesentliche Unterschied
FinTechs haben keine Filialen. Alle geschäftlichen Aktivitäten werden über das Internet abgewickelt. Die Kundenansprache erfolgt äußerst direkt und dynamisch auf Augenhöhe. Anders als bei Banken stehen nicht die Produkte, sondern der Kunde und dessen Bedürfnisse im Mittelpunkt. Einfache Interfaces gewährleisten die unkomplizierte Nutzung der Produkte und kreieren ein neues Kundenerlebnis. Automatisierte Prozesse und strukturierte Organisationsformen steuern ihren Teil zu geringen Aufwänden und entsprechend zur Kostenoptimierung bei.
Dennoch verfügen die traditionellen Geldhäuser über starke Marken, eine Vielzahl von Kunden und vor allem über Kapital. Doch auch FinTechs treten immer mehr in den Fokus von Investoren, die sich durch Wagniskapital schnelle und hohe Renditen versprechen. So konnte NUMBER 26 im April diesen Jahres Venture-Capital-Geber und PayPal-Gründer Peter Thiel für sich gewinnen (Quelle: gruenderszene). Allgemein verbuchen Venture-Capital-Investitionen eine rasant steigende Entwicklung. Ein Abschwung ist mittelfristig nicht zu erwarten. Das frische Geld nutzen FinTechs vor allem zur Kundengewinnung und -skalierung.
Die Zusammenarbeit mit FinTech-Unternehmen
Doch nicht nur Investoren sehen Potential in den FinTechs. Zu Beginn bloß müde belächelt, dann als unwillkommene Bedrohung eingestuft, sehen Banken FinTechs nun als potentielle Partner und streben erste Kooperationen an. Einige Geldinstitute haben verstanden, dass FinTechs mit ihren kundenorientierten Lösungen dabei helfen können, sie wieder näher an den Kunden heranzubringen. Doch nicht nur Banken profitieren von den innovativen Angeboten der FinTechs. Da FinTechs über keine Banklizenz verfügen, profitieren auch sie von der Kooperation mit einem lizensierten Partner – die Vormachtstellung in dieser Konstellation ist ihnen aufgrund ihrer Nähe zum Kunden sicher. So startete die DKB eine Kooperation mit dem Zahlungsdienst Cringle (mittlerweile eingestellt, Stand Dezember 2018), die Deutsche Bank, die Commerzbank und ING-Diba integrierten den Überweisungsservice des Münchner Start-Ups Gini in ihr Online-Banking-Angebot. Darüber hinaus ließ die Deutsche Bank verlauten, dass sie weitere Kooperationen mit FinTechs anstrebt; eine Vielzahl deutscher Banken versucht, ihr digitales Angebot durch die Zusammenarbeit mit FinTechs zu optimieren. Laut einer Umfrage des IT-Dienstleisters GFT Technologies ist für über die Hälfte der Bankentscheider die Kooperation mit FinTechs ein essentieller Bestandteil der Digitalisierungsstrategie (Quelle).
In naher Zukunft wird es voraussichtlich zu weiteren Kooperationen von FinTechs mit Geldhäusern kommen, die den Digitalisierungsprozess ihrer Geschäftsmodelle weiter voranbringen wollen. Langfristig wird es wohl nur ein minimaler Prozentsatz der FinTechs schaffen, sich ohne den Zusammenschluss mit einer Bank zu behaupten und selbstständig auf dem Markt zu agieren – der Großteil wird mit den Banken verschmelzen. Aussagekräftige Prognosen gestalten sich allerdings äußerst schwierig, da abzuwarten ist, inwiefern sich die Regulierung der Finanzbranche, gerade mit Hinblick auf die FinTechs, entwickeln wird.
Und was ist mit den etablierten Größen des Internets?
Aus Bankensicht sind FinTechs nicht die einzige Herausforderung aus dem Kreis der branchenfremden Mitspieler. Denn auch die Internetgiganten Google, Apple, Facebook und Amazon könnten schon bald im Finanzgeschäft mitmischen. Mit Google Wallet, Apple Pay und Facebooks integrierter Zahlungsfunktion im Facebook Messenger sind sie bereits mit eigenen Zahlungsdiensten am Start. Jüngst veröffentlichte Patente lassen darauf schließen, dass Apple in den Bereichen Personal Finance Management sowie P2P-Payment ihr Finanzdienstleistungsangebot neben Apple Pay ausbauen wird (Quelle). Google besitzt seit 2007 sogar eine eigene Banklizenz (Quelle), und auch Facebook beantragte diese im letzten Jahr (Quelle).
Dennoch fühlen sich einige Banken durch die Internetriesen nicht bedroht, da sie ihnen nicht zutrauen, Regularien, die in Verbindung mit einer Banklizenz stehen, erfüllen zu können. Dass Facebook vor kurzem den ehemaligen PayPal-Chef David Marcus ins Boot holte spricht allerdings eine andere Sprache (Quelle). In Anbetracht der Kunden- und Nutzerzahlen dieser Dienste sollte den Banken der Ernst der Lage bewusst sein. Außerdem verfügen sie über ausreichend Kapital, Vertrauen, Akzeptanz und zum Teil eigene Ökosystemen. Wer wenn nicht die Internetgiganten mit ihren Millionen von Kunden könnten maßgeschneiderte Finanzprodukte auf Basis von Interessen, Vorlieben und Einkaufsverhalten anbieten?
Abschließend lässt sich sagen, dass wohl nur die Zeit zeigen wird, wie sich das Bankenumfeld der Zukunft darstellen wird. Die Bedrohung durch die FinTechs und vor allem der Einstieg der Internetgiganten in die Finanzbranche sollte keinesfalls unterschätzt werden. Im Rahmen des nächsten Artikels werden wir die Reaktionen der Banken auf die neuen Gegebenheiten des Finanzmarktes beleuchten. Wie können Banken auf das neue Kundenverhalten eingehen? Wie rüsten sie sich für die digitale Transformation und wie gelingt ihnen die Rückkehr in den „Driver Seat“?
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Titelbild: Flickr Jim Bauer Lizenz: CC BY-ND 2.0