Wiesbaden ist nicht nur eine Kur- und Kulturstadt mit mehr als 300.000 Einwohnern, sondern als Landeshauptstadt auch ein Verwaltungsknotenpunkt im Herzen des Rhein-Main-Gebiets. Die digitale Präsenz der Stadt war jedoch ein Spiegelbild der analogen Verwaltungsrealität: viele Ämter, viele Abteilungen, viele Insellösungen. Über eine Million Einzelseiten waren in verschiedenen CMS-Systemen verstreut, die auch aktuellen Anforderungen an Barrierefreiheit nicht entsprachen. Ein konsistentes Marken- und Nutzungserlebnis gab es nicht.
wiesbaden.de – wo alle Wege zusammenlaufen
Der Relaunch sollte nicht nur die alte Website ablösen, sondern den digitalen Auftritt der Stadt auf ein neues Niveau heben: wiesbaden.de sollte zur zentralen Anlaufstelle für alle werden, die die sich informieren, beteiligen oder insbesondere städtische Services nutzen möchten.
Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, setzte die Stadt auf erfahrene Partner. Im Rahmen eines europäischen Vergabeverfahrens konnte sich die firma . experience design gemeinsam mit dem Headless-CMS-Anbieter Sitepark gegen zahlreiche Wettbewerber durchsetzen. Ausschlaggebend war die nachgewiesene Expertise in der Konzeption und Umsetzung moderner Stadtportale. Mit einem Portfolio aus zahlreichen erfolgreich realisierten Projekten – von mehreren Landeshauptstädten bis hin zu verschiedenen Landkreisen und Städten – konnten wir belegen, dass wir die komplexen technischen, organisatorischen und politischen Anforderungen solcher Vorhaben verstehen und meistern.
Was muss ein modernes Stadtportal leisten?
Für Städte wie Wiesbaden ist eine klare digitale Markenführung entscheidend, um Bürger, Unternehmen und Besuchende zielgerichtet anzusprechen. Dabei geht es nicht nur um ein modernes Logo oder ein einheitliches Design, sondern vor allem um konsistente Botschaften und Nutzererlebnisse über alle digitalen Kanäle hinweg. Mithilfe datenbasierter Analysen und zielgerichtetem Storytelling kann die Stadt Wiesbaden ihre Angebote passgenau kommunizieren und sich im Wettbewerb um Talente, Investitionen und Tourismus klar positionieren.

Gemeinsam wurde eine Vision mit folgenden Zielen entwickelt:
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Fokussierung: Eliminierung ungenutzter Seiten und Fokussierung auf Seiten mit Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger
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Strukturierung: einheitliche, datenbankgestützte Inhalte für einfache Pflege und Mehrfachnutzung auf verschiedenen Endgeräten
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Aktualität: schneller Zugriff auf verlässliche, stets aktuelle Informationen
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Verständlichkeit: klare, bürgernahe Sprache
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Emotionalität: Wiesbaden als lebenswerte Stadt mit moderner Verwaltung erlebbar machen
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Konnektivität: Integration in Smart-City-Programme und Anbindung an die städtische Datenplattform
Nutzerfeedback als Wegweiser
Um ein Stadtportal zu schaffen, das Menschen wirklich verstehen und gerne nutzen, fragt man diese am besten selbst. Daher bauten wir in der Entdeckungsphase auf dem vorhandenen Nutzerrat auf, der sich aus Bürgerinnen und Bürgern zusammensetzte. In moderierten Workshops, Interviews und Diskussionsrunden schilderten sie ihre Erfahrungen, Wünsche und Frustrationen im Umgang mit der bisherigen Website. Das Ergebnis war ein schonungsloses, aber wertvolles Feedback: eine verwirrende Navigation, veraltete Inhalte, kaum mobile Nutzbarkeit und das Gefühl, sich in einem digitalen Labyrinth zu verlieren. Auch technisch war die Pflege dieser Seiten, die auf unterschiedlichen Content-Management Systemen ausgespielt wurden, äußerst aufwendig. Diese Erkenntnisse dienten als Kompass für die weitere Arbeit. Diese fand nicht nur in enger, agiler Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Stadt Wiesbaden sowie UX- und UI-Experten von Sitepark und die firma statt. Auch die neuen Entwicklungen hinsichtlich Struktur, Nutzerszenarien sowie User Interface wurden im stetigen Austausch mit den Nutzern getestet und optimiert.

Content-Audit: Schatzsuche im Daten-Dschungel
Parallel zur Analyse der externen Perspektive wurden auch die vorhandenen Inhalte im Rahmen eines umfassenden Content-Audits unter die Lupe genommen. Rund sieben Tage benötigten die Rechner, um über 2 Millionen Datenpunkte auf rund 220.000 Detailseiten zu analysieren, um festzustellen: Welche Inhalte existieren? Welche werden häufig genutzt und welche können weg? Wo lauern rechtliche Stolpersteine, etwa beim Datenschutz oder der Barrierefreiheit? Es zeigte sich, dass alte Weiterleitungen lückenhaft und Inhalte teils veraltet oder doppelt vorhanden waren. Bei der Auswahl galt die Prämisse, dass jede Seite, die erhalten oder abgeändert werden sollte, einen unmittelbaren Beitrag liefern musste, sei es durch die Unterstützung von Nutzerinnen und Nutzern oder aber weil die Seite aus Sicht der Verantwortlichen wertvolle Inhalte bereitstellte.

Das Stadtportal als digitaler Marktplatz
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wurde eine Informationsarchitektur entwickelt und Inhalte erstellt, die sich klar an den Nutzerbedürfnissen orientieren. Erste Prototypen der neuen Seite wurden nicht nur intern entwickelt, sondern auch gemeinsam mit dem Nutzerrat getestet und optimiert. Dadurch basieren die Lösungen direkt auf realen Bedürfnissen. Das Ergebnis ist in vielfacher Hinsicht ein Paradigmenwechsel:
Ausrichtung nach Use Cases, nicht nach Ämtern: Services werden nicht mehr nach Ämtern oder Verwaltungsstrukturen sortiert, sondern nach den Lebenssituationen der Bürgerinnen und Bürger sortiert – vom Umzug über die Geburt eines Kindes bis hin zur Unternehmensgründung. Damit wird die Haltung deutlich bürgerfreundlicher.

Positive User Experience: Das neue Portal wirkt wie ein klar strukturierter, offener Marktplatz, auf dem Informationen und Services einfach auffindbar und verständlich aufbereitet sind. Anstatt sich durch unübersichtliche Menüs klicken zu müssen, können Bürgerinnen und Bürger nun schnell und intuitiv finden, was sie suchen – egal, ob sie das Portal auf dem Smartphone, Tablet oder Desktop nutzen.

Kohärentes Design und UI: Die neue visuelle Sprache spiegelt die Identität der Stadt wider. Die Modernisierung der Wort-Bildmarke, die neue Farbgebung, die authentischen Bildwelten und die moderne Typografie ergeben ein neues, fortschrittliches Erscheinungsbild. Ein durchdachtes User Interface (UI) sorgt dafür, dass Informationen schnell gefunden und digitale Services intuitiv genutzt werden können.

Etablierung der Digitalmarke wiesbaden.de: Konsistente Botschaften und Nutzererlebnisse über alle digitalen Kanäle hinweg schaffen eine starke digitale Marke, die Vertrauen stiftet und Identifikation fördert, indem sie die Werte und Stärken der Stadt sichtbar macht: Lebensqualität, wirtschaftliche Attraktivität und kulturelle Vielfalt.

Designsystem mit integriertem Styleguide: Ein modular aufgebautes Designsystem beschleunigt die Entwicklung neuer Seiten und Funktionen. Bestehende Elemente wie Buttons, Formulare oder Layouts sind darin zentral verfügbar und können effizient wiederverwendet werden. Ein Styleguide vermittelt die Nutzung dieser Elemente und dient als Arbeitsgrundlage für Entwickler, UX-Designer und Verwaltungsmitarbeitende. So können Kampagnen und Microsites eigenständig und ohne externe Abhängigkeiten umgesetzt werden. Zukünftige Gestaltungsanpassungen werden erleichtert und die digitale Marke Wiesbaden nachhaltig gestärkt.

Technische Basis für die Zukunft: Hauptseite und Microsites laufen nun auf derselben technischen Basis. Dadurch können neue Microsites – etwa für Bürgerbeteiligungsprojekte oder Kampagnen – in wenigen Schritten erstellt werden. Sicherheits- und Systemupdates lassen sich effizient einspielen. Statt 17 separater Wartungsvorgänge gibt es nun eine zentrale, schlanke Lösung.

Vielsprachigkeit durch automatisierte Übersetzung: Über eine integrierte KI-Spracherkennung wird die Website in Echtzeit in verschiedensten Sprachen ausgeliefert. So erhalten auch internationale Nutzerinnen und Nutzer eine optimale User Experience ohne zusätzliche Hürden und lange Wartezeiten.

Verknüpfung durch zahlreiche Schnittstellen: wiesbaden.de ist über zahlreiche Schnittstellen mit anderen wichtigen Systemen und Services verknüpft. Dazu zählen das Verwaltungsportal Hessen mit 368 integrierten Online-Services, die Jobbörse REXX für aktuelle Stellenangebote sowie PIWi, das politische Informationssystem Wiesbaden. Über das Geoportal der LHW werden Karten- und Adressdaten eingebunden, während INFO Networking Veranstaltungsinformationen liefert. Zusätzlich sind Funktionen wie 360°-Videos mit Contao, das Buchungssystem Anny, die YouTube-Integration, Matomo für die Webanalyse sowie redaktionell einbindbare RSS-Feeds nahtlos angebunden – für einen umfassenden, digitalen Serviceauftritt der Stadt Wiesbaden.
Verwaltung im Wandel – was in der Zusammenarbeit wichtig ist
Die Zusammenarbeit mit einer Stadtverwaltung gleicht stets einem Balanceakt, denn sie ist geprägt von unterschiedlichen Aufgaben, Interessen und Arbeitsweisen. Stadtverwaltungen bestehen aus vielen Abteilungen mit eigener Geschichte und gewachsenen Strukturen. Während sich manche Teams hoch motiviert aktiv einbringen, warten andere Bereiche zunächst vorsichtig ab oder setzen eigene Prioritäten.

Die Erfahrung mit wiesbaden.de hat gezeigt, dass ein klares Mandat der Verwaltungsspitze entscheidend ist, um alle Beteiligten auf einen gemeinsamen Kurs einzuschwören. Besonders wertvoll war zudem die enge Einbindung verschiedener Akteure – von Bürgerinnen und Bürgern über Verwaltungsangestellte bis hin zu Redakteurinnen und Redakteuren sowie IT-Mitarbeitenden. Ein umfassendes Playbook mit klaren Strukturen und praxiserprobten Best Practices unterstützt Redakteurinnen und Redakteure dabei, dauerhaft ein hohes und einheitliches Qualitätsniveau sicherzustellen.
So entstand nicht nur eine technisch und gestalterisch moderne Website, sondern auch ein lebendiger, dialogorientierter Prozess, in dem die Stadtverwaltung gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern das neue digitale Gesicht Wiesbadens gestaltete.
Fazit: Vom Patchwork zum digitalen Marktplatz
Mit dem Relaunch wurde aus einem unübersichtlichen Patchwork an Seiten ein lebendiges, nutzerfreundliches Portal geschaffen. wiesbaden.de ist nun nicht nur die digitale Visitenkarte der Stadt, sondern auch ein Werkzeug, das Transparenz, Beteiligung und Serviceorientierung in den Mittelpunkt stellt – ein Projekt, das Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger näher zusammenbringt.

Das Projekt hat gezeigt, wie wichtig es für eine gute User Experience ist, alle Beteiligten frühzeitig einzubinden und politische sowie organisatorische Hürden offen anzusprechen. Dazu gehören auch intensive Schulungen, die es den Mitarbeitenden ermöglicht, selbst Inhalte in einheitlicher Qualität zu publizieren. Iteratives Arbeiten und eine Softlaunch-Strategie erwiesen sich ebenso als Schlüssel zum Erfolg.
Für andere Städte lässt sich aus Wiesbadens Weg viel lernen: Eine digitale Transformation gelingt nur, wenn Technik, Organisation und Kultur gemeinsam betrachtet werden. Ein modernes Portal ist mehr als nur eine Website – es ist das digitale Gesicht einer Stadt.